Stolz und Vorurteil

Bewegt sich Bremerhaven in einem Spannungsfeld zwischen sozialer Armut und Dekadenz?
Als eine der ärmsten Stadte Deutschlands, die sich zwischen Eigenständigkeit und Bevormundung, der Etablierung rechtsradikalen Gedankenguts und Multikulturalität bewegt?
Der Strukturwandel von der Industrie zur Dienstleistungsgesellschaft scheint eine schwere Identitätskrise hinterlassen zu haben, die uns zu folgenden Fragen führte.
Wer ist Bremerhaven? Wer will Bremerhaven sein?
Statt mit Nagellack wie in einem „normalen Nagelstudio" werden die Fingernägel unserer Kunden mit Lebensmitteln aus verschiedenen kulturellen Kontexten bestückt, welche die Bevölkerungszusammensetzung Bremerhavens und deren landestypischen Speisen exemplarisch wiederspiegeln.
Die kulinarischen Länderportraits werden mit einer Polaroid Kamera fotografiert und streng in Reihe mit Stecknadeln an die Wand gepinnt.

Mit jedem Besucher wächst die Installation zu einem vielfältigerem und komplexeren Portrait und bleibt als Dokumentation konträr zu den essbaren mobilen Momentaufnahmen auf den Fingernägel erhalten. Mit Verlassen des Studios gehen die kulinarischen Landesportraits in die Welt und zeigen sich der Öffentlichkeit.
Wir sind Bremerhaven!
Aufmerksam wird der Besucher des Kunstraum/Art space Alte Bürger durch das edle Funkeln eines Schriftzugs in goldenen Lettern. Stolz und Vorurteil … lautet der Name des neu eröffneten Nagelstudios in einem kleinen Ladenlokal. Unter dem Label sind für ein Nagelstudio typische Beispielmodellagen zu sehen. Auf den ersten Blick! Auf den zweiten wird das kulinarische Angebot unseres Nagelstudios sichtbar. Ein Catwalk Element führt zum Ort des Geschehens. Sitzgelegenheiten bieten die Möglichkeit, die Wartezeit zu überbrücken und bei einem fancy Getränk ins Gespräch zu kommen. An den zwei Arbeitsplätzen sitzen sich Performer_innen und Kunden gegenüber und sprechen miteinander; über die Auswahl der Designs, die Inhalte der Aktion, über Gott und die Welt und Bremerhaven.
Die skurrile Situation unterstützt die Kommunikation der sich begegnenden wildfremden Menschen.
Musik färbt die Atmosphäre des Raums, ob portugisisch, syrisch, ob mit Stilrichtungen wie Schlager oder Folklore, ob kauzig oder burlesque.
Pointierte Accessoires finden in dem Ensemble Platz wie in einer Ausstellung, in der sich Menschen genüsslich die Finger ablecken oder mit gespreizten Händen da stehen.
Zeig mir deine Hände, und ich sag dir wer du bist!


Robert Lindner - Ariane Holz